Dass es backyard coffee gibt, ist eine Verkettung vieler Ereignisse. Wenn wir unsere Geschichte erzählen, klingt es selbst für uns jedes Mal wieder verrückt. So viele Jahre voller Erlebnisse und kleinen Schritten, die uns ungewollt dahin gebracht haben, wo wir heute sind.

Wenn wir einen Ursprung finden wollen, dann ist das sicherlich eine Deutsche Barista Meisterschaft vor knapp 20 Jahren. In diese sind wir als Zuschauer hineingestolpert. "Da kochen Leute Kaffee um die Wette", das war unser erster Eindruck. Am Ende saßen wir zwei volle Tage mit Begeisterung im Zuschauerraum und haben uns alle Teilnehmer angeschaut. So richtig viel Ahnung hatten wir vom Thema Kaffee damals noch nicht, entsprechend begeistert haben uns die vielen Präsentationen der Teilnehmer. Am Ende gab es einen Deutschen Baristameister, der Deutschland nun bei der Weltmeisterschaft vertreten sollte. Leider hat Deutschland damals im internationalen Vergleich schlecht abgeschnitten, weit am Ende des Teilnehmerfelds. Und da wir jung waren und nicht wussten, auf was wir uns da einlassen, haben wir uns auf die Brust getrommelt und gesagt: "kommt, das können wir doch besser".

Einen Spruch zu klopfen ist das eine. Dinge in die Tat umzusetzen etwas anderes. Besonders dann, wenn man nicht übermäßig viel Ahnung von der Materie hat. Was dann geschah waren Jahre voll des Lernens und Übens. Regelwerke verstehen, mit ehemaligen Baristameistern und -weltmeistern trainieren, Bücher verschlingen, experimentieren und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Kaffee durcharbeiten. Da wir räumlich getrennt waren, haben wir uns regelmäßig getroffen und jeweils Tage zum Thema Kaffee rumgesponnen, Ideen entwickelt und viel ausprobiert. Unseren Lernfortschritt haben wir irgendwann angefangen in einem Blog (Wolfredo) zu dokumentieren. Aus den Blogbeiträgen sind Fachartikel und Papers geworden und Wolfredo wurde zum meistgelesene Blog zum Thema Kaffee im deutschsprachigen Raum. Für die zahlreichen Publikationen haben wir sogar eine Auszeichnung erhalten, den Award "Outstanding Contribution to the European Coffee Industry" von Allegra.

In der ganzen Zeit haben wir weiterhin Baristameisterschaften besucht, in Deutschland und international, Netzwerke geknüpft und viel gelernt. So kamen wir auch in Kontakt mit Farmern, von denen wir später unsere ersten Rohkaffees importieren sollten. Zunächst war uns irgendwann klar, dass wir selbst rösten müssen. Wir haben damals keine Rösterei gefunden, die Kaffees hatte, die im internationalen Vergleich im Spitzenfeld mithalten konnten. Entsprechend fing die Reise zum Thema Rösten an und wir hatten noch mehr zu lernen. Da es damals kaum Literatur zum Thema gab, war es viel „Trial and Error“, was wir machen mussten. Da wir schon immer sehr detailliert und wissenschaftlich arbeiteten, sind wir immer nach dem gleichen Schema vorgegangen. Annahmen treffen, Testreihen durchführen, dokumentieren, Daten auswerten, Erkenntnisse daraus ziehen, neue Annahmen treffen und von vorne beginnen.

Und gerade, als wir nach Jahren der Vorbereitung selbst an den Meisterschaften teilnehmen wollten, haben sich die Ereignisse etwas überschlagen. Wir haben ein Gewerbe angemeldet und unsere ersten Kunden gefunden. Diese sind auf uns zugekommen, weil sie sich selbständig machen wollten und Unterstützung benötigten. Wir haben die Läden geplant, die Baristas geschult, den Kaffee entwickelt und geröstet und auch sonst überall geholfen, wo wir konnten. Das machen wir heute noch so mit unseren Kunden. Und da eine Rösterei einen Namen braucht, wir immer irgendwo im Hinterhof in Frankfurt zu finden waren, entstand der Name backyard coffee. Und der Bollerwagen als Logo musste sein, weil wir "Die kleinen Strolche" (Originaltitel: "Our Gang" oder "The Little Rascals") passend fanden. Das ist eine schwarz/weiss Fernsehserie aus den 20er Jahren, mit kleinen frechen Rackern, die in Hinterhöfen spielen und ihre Habseligkeiten in einem Bollerwagen rumfahren. Hinterhöfe, Racker, Bollerwagen, passt.

Nach all der Vorarbeit haben wir begonnen an den Deutschen Baristameisterschaften teilzunehmen und in manchen Jahren zusätzlich anderen Mitbewerben (Coffee in good Spirits, Latte-Art). Wir haben mehrfach den Deutschen Meistertitel und die Plätze dahinter holen können und uns mehrfach im vorderen Feld bei der Weltmeisterschaft platziert. Das waren spannende Jahre mit vielen Eindrücken, in denen wir viel unterwegs waren. Bern, Kopenhagen, London, Wien, Bogota, es war eine spannende Zeit. Besonders in Erinnerung geblieben ist Bogota in Kolumbien, wo die meisten von uns erstmalig eine Woche auf Farmen verbringen und Vieles über den Anbau von Kaffee lernen konnten. In all der Zeit sind Freundschaften entstanden, die noch bis heute Bestand haben.

Nach den wilden Jahren haben wir das ganze Thema als ambitioniertes Hobby weiterbetrieben. Raritäten geröstet, experimentiert, viele Schulungen gegeben und Menschen in die Selbständigkeit geholfen. Das Ganze bis vor knapp sechs Jahren, als wir uns entschlossen haben, aus dem Hobby eine richtige Rösterei zu machen und unsere anderen Berufe an den Nagel zu hängen. Seitdem brennt unser Feuer ungehindert mit Begeisterung weiter. Wir sind noch immer Racker. Nur etwas älter, weswegen man auf der Straße leider gesiezt wird. Naja, man kann nicht alles haben.